"Dortmunder Appell"
für eine Wende in der Zucht zum Wohle der Hunde
Im Mutterland der Rassehundezucht Großbritannien hat das Jahr 2008 eine
grundlegende Wende eingeleitet. Deren einziges Ziel ist, das Wohl und
die Gesundheit der Hunde nunmehr konsequent und ohne Einschränkungen in
den Mittelpunkt der Zucht zu stellen. Auch Österreich hat bereits
Maßnahmen in diese Richtung ergriffen. Wir sehen auch für Deutschland
die Notwendigkeit einer solchen Wende im Zuchtwesen. Die
Unterzeichner sehen es als vorrangiges Ziel jedes Hundefreundes, sich
für die Gesundheit und das Wohl unserer Hunde einzusetzen. Bisher wird
in der Zucht aber viel zu wenig auf die Gesundheit der Hunde geachtet.
Inzucht, Übertypisierungen, Erbkrankheiten bis hin zu Qualzuchtmerkmalen
sind leider keine Seltenheit. Ganze Rassen können sich ohne aktive Hilfe
des Menschen nicht mehr vermehren. Wir appellieren an die
Verantwortlichen in den Zuchtvereinen und -verbänden, an die Züchter wie
auch an die Hundehalter und Behörden, sich für eine nachhaltige Wende in
der Zucht zugunsten des Wohles und der Gesundheit unserer Hunde
einzusetzen!
- Laufen,
Atmen, Sehen
Mit diesen 3 Verben formuliert der größte
Hundeverband der Welt, der britische "The Kennel Club", seine Wende hin
zu einer auf die Gesundheit der Hunde bedachten Zucht. Eigentlich sollte
es eine Selbstverständlichkeit sein, dass elementare Funktionen des
Lebens respektiert und gehütet werden. Gerade von den Züchtern unserer
Hunde sollte erwartet werden, dass ohne Kompromiss die Gesundheit der
Hunde respektiert und an die erste Stelle züchterischer Bemühungen
gesetzt wird.
- Keine
Zucht nach Moden
Mit der Rassehundezucht haben sich bereits
Standards etabliert, die als Grundlage anzusehen sind. Dennoch ist eine
nicht vertretbare Entwicklung vorangeschritten, die durch hier
angeführte Maßnahmen zu gesunden Hunden geführt werden soll. Das
Exterieur der Hunde darf in keiner Weise das Atmen, Sehen, Laufen oder
irgendein anderes natürliches Bedürfnis der Hunde beeinträchtigen. Es
dürfen keine Beeinträchtigungen oder besondere Risiken hinsichtlich
Gesundheit, insbesondere auch nicht Erbkrankheiten, oder hinsichtlich
des Wohles der Hunde durch die besondere Betonung bestimmter Merkmale
begünstigt werden. In diesem Sinne sind sämtliche Rassestandards zu
überprüfen. Das Wohl und die Gesundheit der Hunde muss uneingeschränkt
an erster Stelle stehen.
- Nein zu
Inzucht
Das Problem der Inzucht, Engzucht oder Linienzucht wird
sehenden Auges in weiten Teilen der Rassehundezucht ignoriert oder
verniedlicht. Dabei ist die Gefährlichkeit von Inzucht für das Risiko
von Erbkrankheiten, für die Widerstandskraft, Vitalität und
Lebenserwartung aller Säugetiere wissenschaftlich eindeutig geklärt.
Inzucht ist als Tierquälerei anzusehen, die auf Dauer ganze Populationen
erfasst. Für alle Rassen müssen Regeln aufgestellt werden, die in
Zukunft genetische Vielfalt fördern und sichern. Hierzu ist eine
Gendatenbank einzurichten. Deckrüden muss eine Beschränkung auferlegt
werden. Künstliche genetische Schranken etwa wegen der
Vereinszugehörigkeit oder Fellfarben sind abzubauen.
- Für eine
Neuausrichtung des Ausstellungswesens
Prämierungen dürfen nicht mehr nur oder vorrangig nach dem äußeren
Erscheinungsbild vorgenommen werden. Kosmetische Manipulationen an den
Hunden sind abzulehnen. Im Mittelpunkt der Prämierungen müssen das
Wesen, die Gesundheit und die genetischen Vorzüge für die Population
stehen, die es nachzuweisen gilt. Entsprechend sind Charakter und Ablauf
von Ausstellungen zu ändern, sind die Richter auszubilden, anzuweisen
und auszuwählen.
- Der
Tierschutz als aktives Recht auch in der Zucht
Das deutsche
Tierschutzgesetz besagt zwar, dass keinem Tier Schmerz oder Leid
zugefügt werden darf, aber die Realität der Hundezucht scheint dieses
Gesetz zuweilen außer Kraft zu setzen. Es gibt Rassen, die sich fast nur
noch per Kaiserschnitt oder andere Hilfen des Menschen reproduzieren
können. Die gezielte Zucht mit Erbkrankheiten, Übertreibungen einzelner
Merkmale wie Fell, Farben, Falten, Ohren, abfallende Rücken, Winkelungen
der Hinterhand, extremer Zwergen- wie Riesenwuchs etc. führen zu enormem
Leid bei den Hunden, ohne dass das Tierschutzrecht praktisch greift.
Auch massive Schädigungen in der Sozialisation der Welpen etwa durch
Hundehandel werden vom heutigen Recht nicht erfasst. Wir brauchen ein
Tierschutzrecht, dass auch in der Praxis wirkt.
- Hunde
befähigen, ihre Aufgaben zu meistern
Die Ansprüche des Menschen an unsere Hunde sind in der heutigen Zeit
sehr hoch gesteckt. Es bedarf eines neutralen Wesens des Hundes. Der
Hund darf keine Eigeninitiative in Richtung Aggressionen gegen Menschen
und/oder Artgenossen zeigen. Der Welpe soll bereits beim Züchter mit
möglichst vielen Umweltreizen konfrontiert werden, um einen neutralen
und wesensfesten Hund zu erhalten. Übermäßige
Unsicherheit/Ängstlichkeit, vor allem auch bei Hündinnen durch Prägung
auf die Welpen soll nicht toleriert werden. Der Mensch muss umfassend
dafür Sorge tragen, dass die Welpen eine möglichst gute Sozialisation
zur Befähigung ihrer anspruchsvollen Aufgaben erhalten.
- Für eine
neue Ethik der Zucht
Wir brauchen eine neue Ethik der Zucht, die
konsequent an dem Wohl und der Gesundheit der Hunde orientiert ist und
sie für ihr Leben in unserer Gesellschaft rüstet. Für die Zucht von
Rassehunden bedarf es des Nachweises der Fachkunde, der Einhaltung
verbindlicher und transparenter Regeln sowie der Zulassung unabhängiger
Kontrollen hierüber. Auf dieser Basis bedarf es einer staatlichen
Zulassung zur Zucht und Veräußerung von Hunden. Züchterische Maßnahmen
zulasten der Gesundheit der Hunde sind zu sanktionieren. Wir brauchen
ein unabhängiges Qualitätsmanagement der Zucht. Die Zucht unseres
"besten Freundes" sollte uns mehr Fürsorge wert sein.
Dortmund im Juni 2009
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